Ein Unzeitgemäßer – Rolf Dieß zum 90.

Rolf Dieß: Komposition, 1958, Monotypie, 34x2x23,6 cm © Angermuseum Erfurt,
Grafische Sammlung, Inv. Nr. 2004/14.462. Foto: Stadtverwaltung Erfurt

Ausstellungseröffnung des Kunstwestthüringer e.V. im Schloss Dryburg Bad Langensalza am Donnerstag, 14.01.2016, 19 Uhr in Kooperation mit dem Stadtmuseum Bad Langensalza

Er gehörte in die Reihe derer, die ab den 1950er Jahren die rigide offizielle Kulturpolitik der DDR aufs Empfindlichste zu spüren bekamen. Die bekämpfte jeden Künstler, jede Künstlerin, die dem Diktat des sozialistischen Realismus nicht folgen wollten. Die zwang sie in die innere Emigration, ins Ausstellungsverbot, in berufsfremde, die pure Existenz sichernde Tätigkeiten. So konnte auch der 1925 in Bad Langensalza gebürtige Rolf Dieß sein Studium an der damaligen Hochschule für Baukunst und Bildende Künste in Weimar Ende der 40er Jahre zwar beginnen und von der Ausbildung profitieren, die noch den Traditionen des deutschen Expressionismus und des Bauhauses verpflichtet war. Doch schon 1951 wurde die Abteilung Bildende Kunst dort im Zuge der damaligen „Formalismusdebatten“ geschlossen.

Die Ausprägung einer höchst individuellen Bildsprache war hier nicht mehr erwünscht. Es blieb für ihn nur, im Angermuseum Erfurt als Restaurator zu arbeiten, um schlichtweg seine Miete zahlen zu können. Verbürgt ist, dass Rolf Dieß diese Arbeit sehr ungern ausübte, – wie auch später in Darmstadt am Hessischen Landesmuseum. Zudem lebte er in Erfurt unter höchst reduzierten Bedingungen in einem Dachatelier in der Neuwerkstraße. Der Kontakt zu einigen Kollegen half ihm, zumindest künstlerisch und damit auch geistig – seelisch überleben zu können, – vorerst. 1960 zog er nach einem bösen offiziellen Disput über eine Büste, die der Bildhauer Waldo Dörsch von seinem Freund Rolf Dieß gefertigt hatte, zusammen mit seiner Frau nach Friedberg in Hessen, bevor er nach Darmstadt ging. Die restauratorische Arbeit half zu überleben, denn er war hier als Künstler unbekannt und öffentliche Aufträge für ihn waren selten. Dann kamen psychische und eheliche Probleme. Und irgendwann war es zu viel. Am 28. November 1964 schied Rolf Dieß aus freien Stücken aus diesem seinem Leben.
Lange war es still um ihn beziehungsweise um das, was er an künstlerischem Werk hinterlassen hat. Einige seiner Kollegen aus früherer Zeit waren später eher im Bewusstsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit und agierten da glückvoller. Zumindest jedoch nach dem Mauerfall waren ihnen endlich Bewunderung und Anerkennung zuteil: Gerhard Altenburg, Philipp Oeser, Gottfried Schüler, Alfred Traugott Mörstedt, Rudolf Franke. Einige von ihnen gehörten der legendären Erfurter Ateliergemeinschaft an, die sich in den Jahren 1963 bis 1974 gerade das letzte Erfurter Domizil von Rolf Dieß zu ihrem Ausstellungsraum erkoren hatte. Die obige Abbildung zeigt eine Monotypie aus dem Jahre 1958. Sie ist noch bis zum 3. Januar 2016 zu sehen in einer wunderbaren Ausstellung im Angermuseum Erfurt: „Land der Grafik“. Die zeigt einen kleinen Auszug in 40 Blättern aus 40 Jahren aus der Grafiksammlung von Rudolf Franke, in der Rolf Dieß einen höchst ehrenvollen Platz einnimmt.
In seiner Geburtsstadt Bad Langensalza wurde Rolf Dieß zwar spät, dafür jedoch nachdrücklich endlich Ehre zuteil: Seit 2005 gibt es eine Kabinettsausstellung im Stadtmuseum, die über 100 seiner Werke verfügt. Zu seinem 80. Geburtstag 2005 erschien die erste Monografie: „Auf schmalem Grat. Rolf Dieß – ein Künstlerleben“ , die Reiner Schlegelmilch, Bad Langensalza, schrieb. Herausgeber war das Stadtmuseum Bad Langensalza in Zusammenarbeit mit den Mühlhäuser Museen und seinem damaligen Leiter der Abteilung Kunst, Jürgen Winter.
Der 90. Geburtstag von Rolf Dieß am 3. Dezember 2015 konnte vom Stadtmuseum nicht gewürdigt werden, wie es seiner Bedeutung geziemt hätte. So wird der Kunstwestthüringer e.V. nachträglich zusammen mit dem Stadtmuseum und seiner Leiterin Frau Tominski eine Auswahl der Dießschen Werke vom 14. Januar 2016 bis zum 05. März 2016 in seiner vereinseigenen Galerie im Schloss Dryburg präsentieren. Zur Vernissage wird Frau Tominski in die Ausstellung einführen. Gezeigt werden Malerei und Grafik eines Künstlers, der in seinem Werk erkennen lässt, wie ein unermüdlich Experimentierender und Suchender in vielerlei technischen und gestalterischen Möglichkeiten sehr wohl zuhause war, jedoch und gerade damit aus der Zeit fiel und schlichtweg nicht lebensfähig sein konnte, – ein tragisches Schicksal.
Angeschlossen wird ein die Präsentation begleitendes „Gespräch über einen Unzeitgemäßen – Rolf Dieß zum 90.“ am Donnerstag, dem 04. Februar 2016, um 19 Uhr, in der Galerie Dryburg, bei dem Cornelia Nowak, Kuratorin der Grafischen Sammlung im Angermuseum Erfurt über sein Werk, und Dr. Reiner Schlegelmilch über sein Leben sprechen werden. Alle Kunstinteressierten sind dazu herzlich eingeladen.

Die Galerie im Schloss Dryburg hat geöffnet Donnerstag, Freitag, Samstag von 14 bis 17 Uhr.

Juliane Döbel

Veröffentlicht in Archiv, Ausstellungen und verschlagwortet mit .